Die Industrie akzeptiert keine Grenzen
Die heutige Landwirtschaft stösst an gewisse Grenzen, die aber auf schnelles unbegrenztes Wachstum fixierte Grosskonzernen naturgemäss nicht akzeptieren können. Der Aberglaube der funktionierenden und alleinseeligmachenden Wachstumswirtschaft hat aber, für alle die wollen sichtbar, den Planeten an den Rand der totalen Katastrophe gebracht. Sei es der globale Klimawandel oder, eben, das Erscheinen neuer Epidemien und Seuchen. Die schon zu Beginn der Industrialisierung von Zahlreichen Mahnern vorausgesehen wurden. Eigentlich sind die Wachstumsgrenzen heute längst überschritten. Nur fehlt es global am politischen Willen zum Wandel.
Die Umweltzerstörung zu Gunsten schnellen Geldes, hat sich seit dem 19. Jahrhundert um ein vielfaches potenziert. Regenwälder, Savannen, Mangrovensümpfe oder wichtige Laichbiotope für die Fischpopulation sind in einem Umfang dem Raubbau zum Opfer gefallen, wie ihn sich auch die dringensten Mahner von damals im ihren finstersten Visionen nicht vorzustellen vermochten.
Das immer drastischere Eindringen der industriellen Landwirtschaft in natürliche Lebensräume hat, gemäss übereinstimmender Beobachtung der Wissenschaft seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts eine verstärkte Dynamik bei Infektionskrankheiten verursacht:
Die Krankheitserreger springen zunehmend von Tieren auf Menschen über. die Globalisierung. Billigflüge in die hintersten Winkel der Erde, und globale Lieferketten ermöglichen die rasend schnelle Verbreitung über den ganzen Globus. Tierfabriken sind eigentliche Superspreader für solche neuen Zoonosen.
Das stetig beschleunigte Auftreten neuer Erreger ist ein unleugbarer Fakt. 1997 die Vogelgrippe (Influenza-A-H5N1). 2002/3 das Auftreten des ersten potentiell tödlichen Coronavirus SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome SARS). Drei Jahre später MERS (Middle East Respiratory Syndrome), ebenfalls ausgelöst durch ein Coronavirus. 2009 folgte die Schweinegrippe (Influenza A H1N1). 2014 folgte die bis jetzt wohl grösste Tierseuche der Geschichte: Die afrikanische Schweinepest verbreitete sich von Afrika nach Asien, weiter bis China und tötete dort über die Hälfte der Schweine-Population. Vor drei Jahren tauchten die ersten Fälle in Rumanien auf und verbreitet sich seither westwärts nach Europa aus. Die Zusammenhänge mit Globalisierung, Industrieller Landwirtschaft und der Zerstörung natürlicher Lebensräume liegt auf der Hand.Neben neuen Erregern greifen böse alte Bekannte wie das Ebola- und Zika-Virus mit stärkerer Wucht um sich. Auch das Denguefieber, das von Stechmücken übertragen wird.
WHO und Wissenschaft stellen sich taub
Die WHO und der Mainstream der Gesundheitswissenschaft ignorieren bis heute, mitten in der Pandemie derartige Zusammenhänge. Öffentlich betonen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Funktionäre und Funktionärinnen zwar, dass soziale und ökologische Faktoren wichtig seien. Aber es bleibt bei Lippenbekenntnissen. Rob Wallace zog dazu das Fazit, «dass die politischen Machtverhältnisse nicht nur die Infektionskrankheiten prägen, sondern auch die Wissenschaft, die sich mit ihnen beschäftigt».
COVID-19 sollte uns laut Wallace als letzte Warnung dienen. Das Virus zeigt uns die Verwundbarkeit unserer Zivilisation. Und der Der nächste Erreger kommt bestimmt. Zwar schwächte wenigstens in den Industrialisierten Ländern die bessere medizinische Versorgung, Impfprogramme, Ernährung und Hygiene Verbreitung und Verlauf der Krankheiten ab. Doch in den ärmeren Regionen schlagen die neuen Seuchen mit voller Wucht zu und auch in Europa und den USA leben immer mehr Menschen in Armut.
Die Lösung ist einfach, naheliegend – aber unter den herrschenden Verhältnissen völlig utopisch: Weltweite Mindeststandards für Ernährung, Hygiene und medizinische Versorgung. Die WHO hingegen setzt hingegen auf Seuchenkontrolle und frühzeitige Erkennung und Eindämmung durch die jeweiligen Nationalstaaten. Die Wissenschaft beschränkt sich auf bessere Prognostik und Diagnostik.
Die eigentlichen Verantwortlichen, nämlich die Grosskonzerne können derweil unbehelligt und von den Medien in diesem Zusammenhang weitgehend unbeachtet ihr Zerstörungswerk vorantreiben. Die, für die industrielle Nahrungsmittel- und vor allem Fleischindustrie verantwortlichen Konzerne bekommen durch Freihandelsabkommen (wie etwa mit Indonesien) und zum Beispiel die imbiziele Umweltpolitik des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro immer freiere Hand, die Lebensräume von Wildtieren zerstören. Die nächsten Viren kommen unter diesen Voraussetzungen bestimmt. Doch wer garantiert uns, dass einer davon nicht zuschlägt, wie seinerzeit die Pest im Mittelalter?
Unsere Artikelserie:
Wachstum braucht Geld, Energie und Imagination
Wieso das neoklassische Wirtschaftsmodell dringend revidiert werden muss.
Prof. H.C.Binswanger, 2013