Kleine Wesen mit grossem Nutzen
Die Artenvielfalt unter Klein- und Kleinstlebewesen im Boden ist massiv bedroht. Aber so winzig diese Lebewesen sind, so gross ist ihre Rolle beim Fortbestand der Menschheit.
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Am 5. Dezember begehen wir den Welt-Boden-Tag. Eine gute Gelegenheit unseren Blick demütig nach unten zu wenden und uns Gedanken über die Rolle der Bodenlebewesen für die Zukunft der Menschheit zu machen. Naturgemäss entziehen sich Klein- und Kleinstlebewesen unserer Aufmerksamkeit. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ein fataler Fehler. Denn ebenso bedrohlich wie der Klimawandel, ist das Artensterben im allgemeinen und von Insekten und Kleinstlebewesen insbesondere. Etwas Grob gesagt: Ohne Elefanten können wir leben. Ohne Regenwürmer nicht.
Das grosse Krabbeln
Nach heutigem Wissensstand existieren auf einem Quadratmeter Waldboden zwischen 1 000 und 2 000 unterschiedliche Arten. In EINEM GRAMM Ackerboden 4 000 bis 16 000 Bakterienarten. Zahlreiche Biologen gehen sogar davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen viel höher sind und wir erst einen Bruchteil der Bodenlebewesen entdeckt und klassifiziert haben. Groben Expertenschätzungen zu Folge leben in den Böden ein Viertel aller Arten und sind zahlreiche Organismen und Kleintiere bereits ausgerottet bevor man sie überhaupt entdeckt hat (Stand 2020).
Tatsächlich ist gesunder Boden der wohl am dichtesten besiedelte Lebensraum. In einer Hand voll gesunder Erde tummeln sich mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt. Die meisten davon freilich mikroskopisch klein. Aber mit riesiger Bedeutung für das biologische Gleichgewicht und letzlich für die Nahrungsmittelproduktion.
Das grosse Sterben
40 Prozent aller Erdbewohner und -bewohnerinnen, darunter auch die Menschheit, brauchen gesunde Böden direkt zum Überleben. Als Lebens- Brut- und Rückzugsraum. Und eben als Acker- und Weideland. Die Ursachen für das Massensterben der Kleinstlebewesen sind zum Teil die gleichen, wie beim Klimawandel: Intensive Landnutzung, immer mehr und größere Maschinen, mehr Ackergifte und Dünger.
Neue Hochleistungssorten und mehr Ernten pro Jahr haben eine immer eintönigere Agrarlandschaft geschaffen. Entwaldung und Verdichtung und Versiegelung der Böden und deren Überdüngung, sowie die Vergiftung durch massenhaft eingesetzte Pestizide und Herbizide tun ihr Übriges. Auf einer intensiv genutzten Anbaufläche leben fast nur halb so viele Bodenlebewesen, wie auf einer gesunden Wiese.
Auch die Klimaerwärmung macht der Bodenfauna das Leben schwer. Die Bodenlebwesen werden durch die Erwärmung im Wachstum gehindert. Dadurch können sie weniger Pflanzen zersetzen und CO2 binden. Zu diesem Schluss kommt das deutsche Helmoltz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).
Taten statt Worte
«Landwirtschaftliche Produktionssysteme müssen als Bestandteil von funktionalen Ökosystemen gedacht werden», erklärt Michael Berger, Referent für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF Deutschland. Das ist möglich – und auch dringend nötig. Das Joint Research Centre (JRC) der EU hat berechnet, dass ohne eine Agrarwende und politische Massnahmen gegen die Erderhitzung, die Erosion bis 2070 im Vergleich zu heute global um 66 Prozent zunehmen würde. Wir müssen jetzt aktiv werden, damit es nicht so weit kommt.
Die Europäische Kommission hat Mitte November 2021 ihre EU-Bodenschutzstrategie vorgelegt, ein wichtiger Schritt. Aber nur ein Anfang. Jetzt müssen Taten folgen.