Delikatesse mit bitterem Beigeschmack
Die Gans ist für viele Menschen das Synonym für den Weihnachtsbraten schlechthin. Einmal gerupft und ausgenommen, passt sie prima in den Backofen, wirft schmackhaftes Fleisch in Fülle und in ihrem Innenraum Platz für nahrhafte und delikate Füllungen für viele Mäuler auf. Nicht nur für das festliche Weihnachtsessen im Familienkreis nimmt der Absatz an Gänsefleisch rapide zu. Ab November servieren gutbürgerliche Restaurants – vor allem in Mitteleuropa – vermehrt Gänsebraten. In der Edelgastronomie findet sich zudem kaum eine Speisekarte, die nicht Fois Gras (Gänsestopfleberterrine) als Vorspeise anbietet. Doch Achtung: So edel der Nimbus der Fois Gras und des gediegenen Gänsebratens, so erschütternd sind häufig die Bedingungen unter denen die beiden Delikatessen produziert werden.
Die Gans, dein Freund und Helfer
Der Nimbus des Besonderen hängt den Gänsen unter anderem an, da es im Vergleich zu anderem Nutzgeflügel recht lang dauert, bis die grossen Vögel die schlachtreife erreichen. Im günstigen Fall durch Weidehaltung auf dem Hof. Dort und sogar in in den traditionellen Gärten der alten Industriearbeiterhäuser, werden Gänse nicht nur als Fleischlieferanten gern gesehen. Wegen ihrer Wachsamkeit, ihrem symphatisch tappigen Gang, ihrer Schönheit und von Kindern als leidlich geduldige Spielkameraden, erfährt die Gans allgemein auch generelle Wertschätzung. Im alten Griechenland und bei den Römern galten Gänse gar als heilig. Im alten Rom stolzierten Gänse gar unbehelligt auf dem Kapitol herum, weil sie angeblich durch ihr warnendes Geschnatter die Besatzung einer Burg vor einem Überfall durch die Gallier gerettet haben. Bis heute werden Gänse deshalb manchmal noch auch als als Wachtiere gehalten.
Marter trotz Wertschätzung
Doch trotz aller Wertschätzung für die Vögel marterten bereits die Griechen ausgewählte Gänse mit grausamer Stopf-Fütterung, damit die Lebern der Vögel zur beliebten Fettleber (Fois Gras) anschwollen.
Heute hat das das idyllische Bild der fröhlich schnatternden Gänseherde auf dem Biohof, nicht viel mit den Bergen von Gänsefleisch zu tun, die zum Jahresende über die Fleischtheke gereicht oder eher aus dem Tiefkühlregal gefischt werden.
Grundsätzlich ging es den Hausgänsen, wie fast allen Nutztiergattungen. Die ersten Graugänse wurden von Römern und Griechen wegen dem Fleisch domestiziert. Noch bis vor kurzem waren die Hausgänse mit ihrem schönen, graugemusterten Gefieder und vergleichsweise geringer Grösse, ihren wilden Vorfahren noch lang recht ähnlich. Bis vor 150 Jahren wogen sie ca 5-7 Kilo. Mittlerweile wiegen Leistungsrassen bis zum vierfachen. Da noch grössere Gänse langsam schwer verkäuflich werden, legt man bei der Zucht heute mehr Wert auf schnellere Vermehrung.
Billigfleisch um jeden Preis
Denn, wie in jeder industriellen Fleischproduktion, wird auf möglichst billige Produktion möglichst grosser Fleischmassen gesetzt.
Neben der (in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbotenen) brutalen Produktion von Stopfleber, hat auch die normale Fleischgans in konventionellen europäischen Geflügelbetrieben, grauenhaftes zu erdulden. Die typische Gänsehaltung ist Massentierhaltung der übelsten Sorte. Kommt hinzu, dass ein Grossteil der Gänse aus Osteuropa importiert werden, wo Tirschutz und Umweltsstandards massiv hinter den hiesigen hinterherhinken.
Intensivmast auf engstem Raum
Einige der Folgen sind Seuchen wie die Geflügelpest, oder der hemmungslose «präventive» Einsatz von Antibiotika oder die sogenannte Turbomast. Während eine Gans aus tierfreundlicher Weidehaltung nach fünf bis acht Monaten ihr Schlachtgewicht erreichen, sind Tiere aus der quälerischen Intensivmast schon in der Hälfte der Zeit schlachtreif.
Um das zu erreichen muss man die Tiere auf engstem Raum zusammenpferchen, damit sie keine Möglichkeit haben, durch artgerechtes Verhalten Kalorien zu «vergeuden». Die Tiere stehen oder hocken weitgehend untätig auf hartem Betonboden, ohne frische Luft oder Tageslicht.
Die «Hochleistungsgänserassen», die möglichst schnell ihr Schlachgewicht erreichen, leiden unter schmerzhaften chronischen Gelenkentzündungen, Atemnot und sogar Knochenbrüchen. Der Blick in solch eine Gänsemasthalle kann auch dem abgebrühtesten Fleischliebhaber den Appetit verderben. Will man also auf die Weihnachtsgans partout nicht verzichten, sollte man den vergleichsweise moderat höheren Preis für eine einheimische Biogans aus Weidehaltung in Kauf nehmen.
Stopfleber und Lebendrupf
Gänsestopfleber darf zwar in der Schweiz nicht produziert werden, aber landet trotzdem als Importprodukt auf dem Vorspeisenteller. Auch hier gibt es humanere Alternativen, die dem Original zudem geschmacklich in nichts nachstehen.
Zum Gänsedaunen gibt es zahllose Alternativen. Dennoch ist es ein hochwertiges und biologisches Produkt. Doch beim Kauf von Duvets und Jacken sollte man sicher gehen, dass es sich um Federn aus Totrupf handelt. In Europa ist Lebendrupf verboten. Dennoch werden massenhaft Gänsedaunen importiert, die man lebenden Gänsen ohne jede Betäubung bis zu vier mal in ihrem Leben ohne Betäubung und Schmerzmittel im Akkord ausgereisst.
Links
ethikguide.org: das vergessene Leid der Enten, Gänse, Puten
match-patch.de: Ratgeber Familie; Gänsebraten an Weihnachten
wir-essen-gesund.de: diese Weihnachtsgänse würde ich besser nicht essen
Das Titelbild in diesem Artikel stammt von Davidlamma, CC commons.wikimedia.org →