Multikulti auf dem Acker
Industrielle Landwirtschaft erwirtschaftet vielleicht kurfristig hohe Erträge. Auf lange Sicht können extensive, bäuerliche Landwirtschaft die Welternährung sichern. Untersaaten sind eine von vielen erprobten und erfolgreichen ökologischen Anbaumethoden.
Einleitung
Zunehmend setzt sich, auch bei der Uno Welternährungsorganisation FAO, Fachgremien der EU und anderen multinationalen Institutionen die Erkenntnis durch, dass nur eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft und eine Rückbesinnung auf kulturell gewachsene traditionelle Anbaumethoden langfristig die Ernährung der Weltbevölkerung sicherstellt. Kombiniert mit den ökologischen Anwendungsmöglichkeiten moderner Technologie und Agrowissenschaft kann die extensive bäuerliche Landwirtschaft nicht nur langfristig hohe Erträge erwirtschaften. Sie schützt auch die verbliebenen fruchtbaren Böden, erschliesst zusätzliche Anbaufläche und fördert die Biodiversität bei Fauna und Flora.
Untersaat und Schwesternkultur
Eine gut erprobte und vielversprechende Methode ist die sogenannte Untersaat. Darunter versteht man die Saat einer zweiten Frucht, zusätzlich zu einer früher Erntereifen Hauptfrucht. Nicht zu verwechseln mit den Mischkulturen, bei denen verschiedene Feldfrüchte «gleichberechtigt» gezogen werden. Bei der Untersaat pflanzt man vor allem Futterpflanzen wie Kleegräser unter die Hauptsaat (in der Regel Getreide). Mischungen aus Kleearten sind vor allem deshalb besonders geeignet, weil sie zusätzlichen Stickstoff sammeln. Oft mischen die Bäuerinnen und Bauern auch Luzerne unter, um sich gegen die zunehmend trockenen Sommer abzusichern. Normalerweise wird die Untersaat nach der Hauptfrucht und dem zweiten Auflockern des Bodens (Striegeldurchgang) vor dem Schossen der Hauptfrucht ausgesät. In Ausnahmefällen, bei Raps zum Beispiel, der im Herbst gesät wird um im Frühsommer geerntet zu werden, kann die Untersaat auch zusammen mit der Hauptfrucht gesät werden, sofern die Aussaat früh genug stattfindet. Nach September empfehlen Experten beim Raps auf die Untersaat zu verzichten.
Interessant ist, dass das relativ neue Konzept historische Entsprechungen in jahrhundertealten traditionellen Anbaumethoden des heutigen Lateinamerikas hat. Ein interessantes Beispiel ist die sogenannte südamerikanische «Drei Schwestern Kultur», die von Indigenen in Lateinamerika seit Jahrhunderten erfolgreich betrieben wird. Bei dieser, als Milpa bekannten, Mischkultur pflanzen die Bäuerinnen und Bauern auf dem gleichen Feld Kürbis, Mais und Bohnen zusammen an. Wobei die drei Nutzpflanzen jeweils voneinander profitieren. Der Mais mit grossem Nährstoffbedarf dient als Bohnenstange. Die Bohnen wiederum versorgen Mais und Kürbis mit zusätzlichem Stickstoff den sie der Luft entnimmt und die Kürbispflanzen schützen ihrerseits den Boden vor Austrocknung und Erosion und verhindert das Wachstum von Unkraut weil sie den Boden beschatten. So hat man praktisch auf ein und dem selben Feld die wichtigsten Nährstoffe, die der Mensch benötigt. Der zusätzliche Nutzen liegt hier darin, dass die Zusatzfrüchte auch für Menschen wertvolle Nahrungsmittel und keine reine Futtersaat ist (Siehe Kasten: Milpa Beet).
Weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel
Wie bei der Milpa-Kultur binden Untersaaten zusätzlichen Stickstoff im Boden, was weniger Düngemittelbedarf bedeutet. Auch Unkräuter werden durch Untersaaten behindert. Wenn eine Zwischen- oder Feldfutterfrucht bereits im Frühling unters Getreide gemischt wird, spart der Landwirtschaftsbetrieb Zeit und Kosten. Durch die Lückenlose Bodenbedeckung wird die Erosion insbesondere in trockenen Anbaugebieten behindert und gerade bei Trockenheit sind die Erträge deutlich höher als bei der konventionellen Stoppelsaat.
Die Mischung macht den Unterschied
Von zentraler Bedeutung bei der Untersaat ist natürlich die optimale Kombination der verschiedenen Nutzpflanzen. Kombiniert man auf dem Acker Pflanzen mit hohem Wasser- und Nährstoffbedarf, erreicht man das Gegenteil vom erwünschten Effekt. Prinzipiell eignen sich Untersaaten für alle Getreidearten. Aber in Sommergersten zum Beispiel kann man meist nur eine niedrigwüchsige Weißklee-Mischung ausbringen. Andere Kleegräser würden sich zumindest unter feuchten Bedingungen zu stark entwickeln. Roggen hingegen kommt problemlos mit allen Kleegräsern zurecht.
Für Gemüse nur bedingt geeignet
Auch Mais eignet sich wegen seinem zu Beginn eher langsamem Wachstum, dem weiten Reihenabstand und des hohen Wuchses besonders gut für Untersaaten. Das gleiche gilt für Ackerbohnen. Beim Mais gilt jedoch: je trockener der Sommer, um so später sollte die Einsaat der Untersaat (bsp. Gras) erfolgen, damit diese dem Mais nicht im empfindlichen Stadium um Wasser konkurriert. Die Einsaat erfolgt mit den gleichen Maschinen wie bei Getreide. Für Ackerbohnen eignen sich vor allem nichtlegume Untersaaten zum Beispiel Weidegrasarten, Ölrettich, Gelbsenf oder gar Raps.
Der Nutzen bei Gemüse hält sich hingegen in Grenzen. Länger stehenden Gemüsekulturen können dennoch von der Stickstofffixierung, Unkrautunterdrückung sowie der Beschattung des Bodens profitieren. Gute Erfahrungen haben Biobauern mit Kohlarten, Lauch und Spargel gemacht. Eingesät werden können hier, je nach Kultur, Erdklee (schwachwüchsig), Weißklee (mittel-), Englisches Raygras oder Grünroggen (beide starkwüchsig). Auch Mischungen von zum Beispiel Raygras und Weissklee sind üblich .
Milpa-Beet anlegen
Ein Milpa-Beet können Sie im Eigenen Hinterhof oder Schrebergarten anlegen. Beachten Sie einfach folgende Schritte:
1. Flächenauswahl: Sie benötigen ein mindestens 1,20 m x 2 m großes, sonniges Stück Garten. Denken sie daran, dass der Mais sehr hoch wächst und andere Pflanzen im Umkreis beschatten könnte.
2. Boden verbessern: Alle drei Kulturen bevorzugen humusreichen Boden, der Wasser gut speichert. Bei Bedarf können Sie in den Boden gekaufte, nährstoffreiche Erde oder eigenen Kompost einarbeiten.
3. Anbausystem auswählen: In Südamerika pflanzt man Milpakulturen «horstweise». Zum Beispiel drei Mais und zwei Bohnenpflanzen eng zusammen und in einigem Abstand dazu den Kürbis. Alternativ können Sie das Beet auch auch in Reihen anlegen. Der Mais mit einem Reihenabstand von mindestens 60cm und einem Pflanenzabstand innerhalb der Reihe von ungefähr 40 cm. Der Mais wird im April gesät und die Kürbissetzlinge herangezogen. Nach den Eisheiligen werden die Bohnen im Kreis rund um den Mais gesät und Kürbissetzlinge dazwischen (Abstand beachten!).
4. Sorten auswählen: Die Sortenwahl ist für eine erfolgreiche Milpa-Kultur von entscheidender Bedeutung. Vor allem die Zusammensetzung von Mais und Bohne muss stimmen. Kombiniert man zum Beispiel eine starkwüchsige Bohne mit einem eher schwachwüchsigen Mais, kann die Bohne den Mais überwuchern.
Keine Universallösung
So gross der Nutzen der Untersaat für den ökologischen Landbau auch ist, er hat seine Grenzen. Wurzelunkräuter wie Ampfer oder Quecke lassen sich praktisch nur mit Stoppelsaat sinnvoll bekämpfen. Die für Artenvielfalt und Erosionsschutz so wichtige Bodenruhe begünstigt eben auch diese Unkräuter. Die ökologische Bekämpfung dieser Unkräuter, um die Ackerflächen wieder für die Untersaat Nutzbar zu machen, stellen daher eine grosse Herausforderung an den Biolandbau dar.
Grundsätzlich aber gilt, dass Untersaaten die Bodenfruchtbarkeit erhalten und die Biodiversität bei Bodenlebewesen fördern. Eine generelle Globallösung, wie sie die «Grüne Revolution» versprach, letztlich aber nur zusätzliche Probleme verursachte, gibt es in der ökologischen Landwirtschaft nicht. Es ist vielmehr ein Mix von Anbaumethoden, die den regionalen klimatischen, topographischen und kulturellen Besonderheiten sowie der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit, die langfristig eine umweltverträgliche Versorgung der Weltbevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln verspricht.