Neue genomische Techniken (NGT), Ergänzungen der Redaktion
Stand der Diskussionen auf europäischer Ebene
Im Dezember 2023 hatte die ANSES (Agence nationale sanitaire, Frankreich) einen sehr kritischen Bericht über die Deregulierung von NGT veröffentlicht. Trotz dieses Berichts schlug das Europäische Parlament am 7. Februar 2024 vor, die überwältigende Mehrheit der neuen GVO von der Risikobewertung auszunehmen.
Am 6. März 2024 bestätigte ANSES in einer zweiten, den NGT-Pflanzen gewidmeten Stellungnahme die Umwelt- und Gesundheitsrisiken der neuen GVO und betonte die Notwendigkeit, diese Risiken vor dem Inverkehrbringen zu bewerten. Die vom europäischen Fachausschuss beauftragte EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) beschränkte sich auf eine Stellungnahme, in der sie die Warnungen der ANSES ignorierte und lediglich die Mehrheitsvorschläge des Parlaments übernahm.
Am 26. April 2024 bekräftigten die Europaabgeordneten mit 336 zu 238 Stimmen ihre Position vom 7. Februar, nämlich die Schaffung von zwei Kategorien gentechnisch veränderter Pflanzen, von denen die erste – die die grosse Mehrheit der NGT-Pflanzen umfasst – von den Anforderungen der Risikobewertung gemäss der GVO-Gesetzgebung ausgenommen werden soll. Die Abgeordneten wollen jedoch für Transparenz sorgen, indem sie die Kennzeichnungspflicht für alle NGT-Pflanzen beibehalten. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden und sicherzustellen, dass Landwirt“innen nicht zu sehr von grossen Saatgutunternehmen abhängig werden, wollen die Abgeordneten alle Patente für alle NGT-Pflanzen verbieten. Das Parlament ist nun bereit, die Verhandlungen über das neue Gesetz mit den EU-Regierungen aufzunehmen.
Kriterien für die Akzeptanz von NGT als konventionelle Pflanzen
Dies ist der Vorschlag der EU-Kommission für Kriterien zur Akzeptanz von NGT als konventionelle Pflanzen: „Die (Europäische) Kommission schlägt vor, eine Pflanze, die bis zu 20 Veränderungen aus fünf möglichen Arten von Veränderungen erfahren hat, darunter unter anderem eine Substitution oder Insertion von bis zu 20 Nukleotiden und Deletionen (Eine Deletion ist immer ein Verlust von genetischem Material) in unbegrenzter Grösse, als einer konventionellen Pflanze gleichwertig zu betrachten.„ Laut Pollinis.org würde diese Kategorisierung 94% der in der Entwicklung befindlichen und potenziell vermarktbaren NGT-Pflanzen betreffen und ihnen somit den Markteintritt ohne jegliche Risikobewertung ermöglichen.
Welche Position vertritt der Schweizerische Bauernverband (SBV)?
Der SBV stellt auf seiner Website folgende Forderungen in den Vordergrund:
- Berücksichtigung der Entwicklungen in der EU
- Agronomischer, ökonomischer oder ökologischer Nutzen (z.B. weniger PSM-Einsatz, Verbesserung Ressourceneffizienz)
- Keine Verstärkung der Abhängigkeit des Landwirts von (Saatgut-) Unternehmen (Patente)
- Agronomisch sinnvolle Züchtungsziele: Gewissheit, dass mit guter agronomischer Praxis keine neuen Probleme entstehen (z.B. Resistenzen)
- Sachlicher Dialog mit Konsumenten und Akzeptanz fördern
Wer unterstützt die erleichterte Nutzung von NGT
“ Die Vereinigung Sorten für Morgen setzt sich für eine dynamische Pflanzenzüchtung und eine offene Haltung gegenüber neuen Züchtungstechniken im biomolekularen Bereich ein.“ Sie umfasst unter anderem Dachverbände der landwirtschaftlichen Produktion: Kartoffeln, Reindinkel, Getreide, Gemüse; IP Suisse; Saatgutproduzenten und auch Coop, Denner, Fenaco, Migros…
Es gibt die von Bayer und Syngenta gesponserte Plattform swiss-food.ch, die, wie es auf ihrer Website heisst, „sich als faktenbasierte Informationsplattform versteht. Wichtige Fakten werden hier auf klare und verständliche Weise erläutert“. Sie besteht aus Vertretern von Syngenta Schweiz, Professoren der ETH Zürich (Molekularbiologie und Pflanzenzucht), einem Ökonomen, einem Doktor der Rechtswissenschaften, Vertretern des Schweizer Konsumenten Forum, Journalisten und ein Historiker, Markus Somm, von dem ich Ihnen unbedingt ein Zitat mitteilen muss: „Das mag wie ein No-Brainer klingen, ist es aber nicht, zumal aus politischen Gründen der technologische Fortschritt in der Landwirtschaft und Ernährung vielfach behindert wird – der Widerstand gegen die Gentechnologie ist nur eines der grotesken, da esoterischen Beispiele (es gibt keinerlei wissenschaftliche Evidenz, dass genmanipulierte Pflanzen uns schaden).“
Links
SBV – Neue Züchtungsverfahren
Swiss-food.ch – 11.2023:
- Mit falschen Erzählungen gegen Gentechnik
- Grüne Gentechnik: Sicherheitsbedenken ziehen nicht mehr
- Mehr Pestizide, mehr Gentechnik: Wie wir den Hunger überwinden
Die Volkswirtschaft – Ernährung: Gehört der grünen Genschere die Zukunft?
Europa:
SAG – Interessenkonflikte bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit – 04.09.2024
Europäisches Parlament:
- Report 2023 (EN) – Plants produced using new
genomic techniques - Neue Verfahren in der Pflanzenzüchtung zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Lebensmittelsystems