Welche Pflanzen braucht das Land?
Zum Massnahmen- und Strategiepapier zur «Pflanzenzüchtung 2050» des Bundesamtes für Landwirtschaft
«Stehen unserer Landwirtschaft zukünftig noch geeignete Pflanzenzüchtungen zur Verfügung?» «Ist Unsere Ernährung durch die “Saatgutmultis“ gefährdet?» «Muss sich der Staat stärker in der Pflanzenzüchtung engagieren?» Dies sind die wesentlichen Fragen, mit denen sich das Bundesamt für Landwirtschaft derzeit beschäftigt. Entsprechend hat das Bundesamt, gemeinsam mit Vertretern verschiedener Interessengruppen unter dem Titel «Strategie Pflanzüchtung 2050» ein Strategie- und Massnahmenpaket ausgearbeitet die mit der Agrarpolitik 2022 (AP 22+) umgesetzt werden sollen.
Pflanzenzüchtung für Ernährungssicherheit
Laut dem Bundesamt gilt die Pflanzenzüchtung als Schlüsseldisziplin zur Bewältigung nationaler und globaler Herausforderungen in der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung und einer regionalen, nährstoff- und ressourceneffizienten (kurz nachhaltigen) landwirtschaftlicher Produktion.
Neue Technologien und zahlreiche Unternehmenszusammenschlüsse haben das züchterische Umfeld nicht nur in der Schweiz stark beeinflusst und verändert. Das die privaten Saatguthersteller und Züchter in der Regel eher ein Auge auf kurzfristige Profitabilität als auf eine nachhaltige, gemeinnützige Enährungssicherung und Artenvielfalt haben, scheint nun auch beim Bund Bauchgrimmen zu verursachen und «wirft», so das BLW, «Fragen nach staatlichem Handeln zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von geeignetem Saatgut für die Schweizer Landwirtschaft auf.»
Mit der «Strategie Pflanzenzüchtung 2050» erkennt das BLW die Bedeutung der Pflanzenzüchtung für die Schweiz in den kommenden Jahrzehnten an und «legt Grundlagen für die Aufwendung und Zuteilung öffentlicher Mittel fest».
Die Arbeitsgruppe die für das Papier verantwortlich zeichnet, definierte neun Kriterien für diese Beurteilung. Fünf beschreiben die ökonomische, ökologische und ernährungstechnische Bedeutung der Pflanzenarten in der Schweiz. Zwei Kriterien den Züchtungsbedarf und weitere zwei die Machbarkeit eines Zuchtprogramms in der Schweiz.
Dabei entstand eine Liste mit 79 Pflanzenarten und Artengruppen, die in Zukunft potentiell angebaut werden könnten. Für die 30 wichtigsten Arten macht die Arbeitsgruppe in dem Strategiepapier differenzierte Empfehlungen (→).
Agroscope gefordert
Bis jetzt bestehen erst für acht Arten, beziehungsweise Artengruppen, Zuchtprogramme des staatlichen Forschungsinstitutes Agroscope. Immerhin gehören diese acht Arten zu den 10, laut Strategiepapier, relevantesten Pflanzenarten. Die Arbeitsgruppe empfiehlt entsprechend diese Zuchtprogramme weiterzuführen. Für elf Arten empfiehlt die Arbeitsgruppe vertiefte Abklärung für eine züchterische Bearbeitung innerhalb einer Züchtungscooperation. Für acht weitere Arten sei ein eigenständiges Züchtungsprogramm zu prüfen.
Die wichtigsten Pflanzen
Zu den absoluten Top 10 (Erfüllung aller drei Bewertungskriterien) zählen Brotweizen, Futterleguminosen (Hülsenfrüchte), Apfel, Futtergräser, Soja,und Weintrauben. Gefolgt von Aprikose, Dinkel, Birne, Medizinal und Aromapflanzen. Unter den Top 15 Kartoffeln, Kirschen und Erdbeeren. Unter den Top 35 Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen) für Brot, Gerste, Futtermais, Roggen, Himbeeren und Zwischenfutterarten.
Die Top 15-Arten haben laut dem Strategiepapier eindeutig Priorität.
Keine Züchtungen in der Schweiz
Kartoffeln, Kirsche und Erdbeeren werden zur Zeit in der Schweiz überhaupt nicht gezüchtet. Das Strategiepapier sieht deshalb eine Notwendigkeit für Zuchtprogramme für alle drei Arten. Vor allem für die Kartoffel. Bei Kirschen und Erdbeeren sei zumindest die vertiefte Zusammenarbeit mit ausländischen Züchtern und ein sogenanntes Sortenscouting (Auswahl, für die Schweiz geeigneter Sorten) empfohlen.
Auch Gerste und Roggen würden in der Schweiz zur Zeit nicht gezüchtet obwohl der «Züchtungsbedarf als hoch eingeschätzt» wird. Allerdings sei hier eine vertiefte Zusammenarbeit mit ausländischen Züchtern wohl ausreichend.
Himbeeren werden in der Schweiz durch durch die Firma Lubera gezüchtet. Allerdings hat die Firma die Neuzüchtungsprogramme praktisch eingestellt. Da die Schweiz in Sachen Himbeeranbau auf Substrate aber Leader ist, sollte eine Aufnahme des Züchtungsprogramms durch Agroscope ernsthaft geprüft werden.
Schwierig machbar aber notwendig
Wenn man die «Machbarkeit» einer Pflanzenzüchtung nicht berücksichtigt, sieht die Arbeitsgruppe für fünf zusätzliche Arten einen erhöhten Züchtungsbedarf. Nämlich Raps, dessen Bedeutung durch den zunehmenden Bedarf der Kartoffelchipsproduzenten steigt, Sonnenblumen, Edelkastanien, Futtererbsen und Ackerbohnen.
Zumindest erhöhte Aufmerksamkeit sollte gewissen Nischenarten geschenkt werden. Gerste als Nahrungsmittel, Einkorn/Emmer, Buchweizen Ackerbohnen, Futtererbsen und diverse Leguminosen.